„Ich mag diese Arbeit sehr. Ich mag es auch, zu helfen“, sagt Sayed Zabihullah Hashemi lächelnd. Ein sehr freundliches Lächeln begleitet alle Sätze, die der 35 Jahre alte studierte Soziologe aus Afghanistan sagt. Seit August 2018 gehört dieser freundliche Mann, den alle Zabi (mit „S“ gesprochen) nennen, zum Team im Bodelschwinghweg 2 in Mühltal. Dass er Mitarbeiter im Autistenhaus wurde, geht auf eine Initiativbewerbung zurück. Den Mut dazu fasste er nach einem Praktikum in der Wichernschule.
2015 kam Zabi als Flüchtling in Deutschland an und bekam einen Wohnplatz in der Flüchtingsunterkunft in Mühltal-Trautheim. Schon 2016 erhielt er einen Abschiebungsbescheid. Ein Rechtsanwalt half ihm, den Vollzug abzuwenden. Ein Jahr lang arbeitete Zabi im Reinigungsdienst für einen großen Supermarkt in Darmstadt. Um seine Deutschkenntnisse zu verbessern, sprach er in der Wichernschule der NRD vor, denn er hatte gehört, dass dort Deutschkurse für Flüchtlinge anboten würden. „Inzwischen leider nicht mehr“, erklärte ihm die stellvertretende Rektorin Silke Boysen, „aber wie wäre es mit einem Praktikum?“ Sie bot ihm an, den Unterricht in verschiedenen Klassen zu begleiten und dabei sein Deutsch zu verbessern.
„Das war sehr, sehr nett von Frau Boysen. Und es hat mir viel Spaß gemacht. Es war wunderbar mit den Kindern und Jugendlichen“, berichtet Zabi, der in Afghanistan als Lehrer Mathematik, Chemie, Geschichte und Philosophie im Real- und Gymnasialzweig unterrichtet hat und nie zuvor Kontakt mit Menschen mit geistiger Behinderung hatte. Das Bewerbungsschreiben, welches er daraufhin ans Personalmanagement richtete, landete unter anderem bei Andreas Münch, Leiter des Wohnverbundes Mühltal. „Wir hatten gerade einen personellen Engpass, deshalb schaute ich mir alle Bewerbungen genau an“, so Münch, der sich selten mit der Papierform begnügt: „Bewerbungen sagen nicht wirklich viel aus, ich lerne die Menschen lieber persönlich kennen.“
Zabi Hashemi war ihm auf Anhieb sehr sympathisch und letzte Bedenken wegen mangelnder Sprachkenntnisse wurden zerstreut, als er erlebte, wie sich der Bewerber im ersten Kontakt mit den Bewohner*innen verhielt. „Er hatte keine Angst, er reichte jedem freundlich die Hand. Und das Erstaunliche war: Alle reagierten positiv. Sie haben feine Antennen dafür, wer es gut mit ihnen meint.“
So arbeitet Zabi seit August 2018 auf einer 80-Prozent-Stelle im Bodeschwinghweg 2 mit. Im Früh- und Spätdienst macht er alles, was anfällt. „Er hat einen guten Blick dafür, was zu tun ist, und packt es an“, sagt seine Kollegin Josephine Lufft, die als Heilerziehungspflegerin seit 2012 zum Team gehört. Erstaunliche Haushaltsgeräte wie die Mikrowelle lernte Zabi neu kennen, aber er bringt auch neue Ideen mit, zum Beispiel große Buchstaben zu nutzen, um Wörter zu legen. „Er bringt auch frischen Wind rein“, sagt Josephine Lufft, „er kocht manchmal afghanisch oder persisch und es schmeckt allen gut.“
Zabi hat eine Arbeitserlaubnis, aber diese ist – wie sein Aufenthalt in Deutschland – befristet und muss immer wieder neu beantragt werden. Da er Geld verdient, zahlt er auch Miete in der Flüchtlingsunterkunft: „300 Euro im Monat. Aber ich würde gerne woanders wohnen. Ich bin auf der Suche“, sagt er. Mit seinen Eltern in Afghanistan spricht er jeden Tag via Whatsapp oder Skype. „Wenn Afghanistan sicher ist, gehe ich zurück. Aber ich fürchte, es dauert noch 50 oder 200 Jahre. Wir leben nicht. Wir kämpfen nur ums Überleben“, sagt er mit seinem Lächeln, das freundlich und traurig zugleich ist: „Heimweh habe ich immer bei mir.“
Unser Foto zeigt Zabi Hashemi (rechts) mit Wohnverbundsleiter Andreas Münch.
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